Roland Schappert, *1965 in Köln, arbeitet an der Schnittstelle analoger, digitaler und zeitbasierter Medien mit Wandmalereien, Tafelbildern, Zeichnungen sowie virtuellen Bildern, - Video und Text. Er entwickelte in den letzten Jahren eine eigenständige Form der Schrift- und Zeichenmalerei und transformiert sie in unterschiedlichste Medien.

Man wird schon müde, die zweifelhafte Erfindungsgabe des amerikanischen Präsidenten zu kommentieren oder die Schnelllebigkeit der digitalen Kultur und Allgegenwärtigkeit der Social Media zu konstatieren: Je mehr simple Botschaften fragwürdigen Wahrheitsgehaltes allenthalben aufpoppen, desto größer das Bedürfnis und der Bedarf, zu differenzieren, umso deplazierter und wirkungsloser jedoch offenbar beides. Klare Ansagen, eindeutige Positionierungen scheinen mehr
denn je vonnöten, bergen aber das Risiko der bloßen Potenzierung des Plakativen. Wie also als Künstler die Komplexität der gesellschaftlichen Gegenwart adäquat und kritisch reflektieren, ohne dabei den Agitprop jeglicher politischer Couleur zu wiederholen?

Roland Schappert bedient sich als Künstler vielfältiger Medien, die er auch grenzüberschreitend nutzt, beispielsweise im Dialog von Wandmalerei und Digitalprint auf Aluminium. In seiner spezifischen Anwendung digitaler Mittel zielt er auf die analoge Erscheinung ab und verfolgt mit dem Einsatz der Malerei die Reflexion über die digitalen Medien und die veränderten Wahrnehmungs- und Erfahrungsweisen. Die unmittelbare haptische und visuelle Oberflächenwirkung der Materialien bei der Bildherstellung wird durch Schichtungen
und Überlagerungen tieferer Ebenen konterkariert, inhaltlicher Motivtransfer und Kontextverschiebung sind dabei nicht immer ad hoc erkennbar. Die Verdichtung sprachlicher
Aussagen in poetischen Sprachbildern wird durch deren semantische Mehrdeutigkeit wieder ad absurdum geführt und jeder Plakativität beraubt. Beim Einsatz seiner verbildlichten und zum Teil eigenwilligen Schriftzeichen geht es dem Künstler nicht um persönliche Symbolik, sondern um die Entwicklung einer gleichzeitig verfeinert wie archaisch anmutenden Bildsprache, die sich einer eindeutigen, unmittelbaren Lesbarkeit oft entzieht.

Schappert nutzt auch die schaukastenartige Raumsituation bei ZERO FOLD für ein Szenenbild, das die vermeintliche Lesbarkeit „auf einen Blick“ unterläuft: Der eilige Passant auf der Albertusstraße, der vermutet, in einem raschen Scan durch den 8 qm großen Raum die Bedeutung des Textbildes zu erfassen, muss feststellen: DAS OFFENSICHTLICHE KLEBT NICHT AN DER OBERFLÄCHE. Es ist etwas Zeit und Konzentration erforderlich, die nahezu raumhohen Buchstaben auf den Rigipsplanken, die ringsum an die Wände (viel)geschichtet sind, zu entziffern.
Mit seinem Eintritt in dieses „Reich der Zeichen“, riskiert der Betrachter in jedem Fall die eigene Sichtbarkeit im komplett von außen einzusehenden Ausstellungsraum. Transparenz als
Preis für Information ist mittlerweile ein vertrautes Tauschgeschäft, bei dem Diskretion und Intimität die zunehmend kostbarere Währung bedeuten. Ist der Rückzug ins PRIVATE PARADISE der letzte Akt der Selbstermächtigung?

Wandmalereien hat der Künstler bereits in verschiedenen Kontexten realisiert, in Museen, Kunsthallen und zuletzt auch in der Tramuntana Mallorcas – ephemer, da mit Rügener Kreide auf den Fels gemalt. Ästhetisch an eine aus Vorzeiten erhaltene Felsenmalerei erinnernd, tatsächlich so vergänglich wie all die virtuellen Botschaften, die, einander in rasendem Tempo ablösend, durch den digitalen Orkus wabern, hier und dort aufscheinend.

Bei ZERO FOLD arbeitet Schappert nicht direkt auf die Wand, sondern verlagert die Buchstaben auf einzelne Elemente, die den Eindruck eines Bühnensettings verstärken. Die malerische
Qualität des Tuscheauftrags verleiht den Schriftbildern eine Lebendigkeit des eben gerade nicht Festgeschriebenen. So löst sich die Grenze zwischen Bild und Schrift auf. Die Kumulation der Platten in der Raumecke und ein leichtes Ineinanderschieben lassen die Begrenzung der Räumlichkeit physisch spürbar werden und dynamisieren die Lesbarkeit zusätzlich: Erkenntnis ist hier nur für den zu erhalten, der sich bewegt. Angesichts der Verschiebbarkeit der einzelnen Buchstaben kann der Besucher dem spielerischen Impuls nachgehen, immerhin imaginär eine Neuordnung herzustellen. Wenn auf diese Weise in der Betrachtung der überschaubare Raum zumindest gedanklich entgrenzt wird und die Sprache nicht mehr eindeutiger Zuordnung dient, sondern mehrdeutige Interpretation und individuelle Sichtweisen anstößt, gibt es trotz der Enge Freiraum für neue Definitionen. Liegt in dieser Freiheit der Lesart vielleicht ein unantastbares PRIVATE PARADISE? So lautet zumindest der Titel einer Wandmalerei, die Schappert im Sommer 2018 durch seinen ehemaligen Studenten Fabian Lehnert in Penang realisieren ließ und für das Plakatmotiv des ZERO FOLDER No.6 ausgewählt hat.