Eine Ausstellung in der Reihe "Wir haben Gäste"
„Und dann mit einem Mal war die Erinnerung da...“
Marcel Proust

Fußballspielen zwischen Gräbern, Picknick auf den Grabsteinen, die Sonntagmorgen bei der Oma: Der französische Künstler Aymeric Fouquez verband Bilder der unzähligen Kriegsfriedhöfe des Ersten Weltkriegs in seiner Heimat lange nicht mit der historischen Schwere dieser Orte. Für ihn sind sie untrennbar mit dem Glücksgefühl unbekümmerter Kindheitstage verflochten. Wie der Geschmack der Madeleine, dem in Lindenblütentee getunkten Gebäck, im berühmten Roman von Proust, führen ihn die Gräberfelder der nordfranzösischen Landschaft und belgischen Küste in das Reich der Erinnerungen. In der Welt des kleinen Aymeric gab es dort die vielen schönen Ausflüge mit der Großmutter zu den sorgfältig gepflegten Einfriedungen in der direkt en Nachbarschaft. Orte, an denen man
als Kind dem langgehegten Traum frönen konnte: Kicken wie Michel Platini, dem Meister des französischen Fußballs. Wo ginge das besser als auf feinem „englischen Rasen“? In Frankreich ist der Erste Weltkrieg als Teil der Erinnerungskultur anhand unzähliger Mahnmale immer präsent. Zahlreiche Friedhöfe erinnern an die geopferten Menschenleben und prägen das Landschaftsbild bis heute. Ins Auge stechen vor allem die über 1000 Kriegsfriedhöfe der Commonwealth-Staaten mit ihren hellen Grabsteinen gleicher Größe und Farbe, die nach einheitlich festgelegten Regeln entstan den. Entworfen wurden sie u.a. vom britischen Architekten Edwin Lutyens basierend auf der Idee einer Kirche im Freien überall
dort, wo gefallene Soldaten auf den Schlachtfeldern begraben worden waren. Dies erklärt die Insellage der Grabstätten inmitten von Feldern und Nutzgärten oder in unmittelbarer Nähe zu Autobahnen, Wohnhäusern oder Landwirtschaftlichen Betrieben. Mit niedrigen Mauern oder Hecken umsäumt, wurden sie im Sinne eine Gartens mit ausgesuchten Bäumen, Pflanzen und kurz gemähten Rasenflächen im Sinne eines Gartens gezielt gestaltet.
In der über 70 Motive umfassenden Serie „Nord“ setzt sich Aymeric Fouquez mit dem Phänomen dieser historischen Gedenkstätten auseinander. Seine Bilder haben nichts von Heldengedenken, Pathos, Trauer oder gar Schlachtfeldtourismus. Auch schwelgt er nicht in kindlicher Nostalgie. Fouquez hält die stille Schönheit dieser Orte inmitten von französischer und belgischer Nutzlandschaft in großformatigen Landschaftsbildern fest. Fouquez‘ Arbeiten sind präzise komponierte Reflektionen über Architektur und Landschaft, Vergangenheit und Gegenwart, persönlicher Erinnerung und kollektivem Gedächtnis.

Aymeric Fouquez (* 1974) wurde in Nordfrankreich geboren. Er studierte Geschichte und Kunst in Paris und absolvierte 2002 die École Nationale de la Photographie in Arles. Er studierte an der Akademie für Bildende Kunst in Leipzig in der Meisterklasse von Professor Timm Rautert. 2007 erhielt er den Wüstenrot-Preis für
Dokumentarfotografie, Museum Folkwang, Essen.