Parkfield ist der Name einer Siedlung, die im Bundesstaat Kalifornien zwischen Los Angeles und San Francisco direkt an der San-Andreas-Verwerfung liegt, einer der längsten und geologisch aktivsten Zonen der Welt. Das Epizentrum des Fort-Tejon-Erdbebens von 1857, eines der schwersten Erdbeben in Kalifornien, bei dem sich die nordamerikanische und pazifische Platte auf einer Länge von 300 km um bis zu 9 m verschob, befand sich nur unweit dieses Ortes. Aufgrund seiner Erdbebengefährdung wird Parkfield durch die United States Geological Survey intensiv beobachtet. Marianna Christofides' Einzelausstellung "Parkfield Studies", die eine Auswahl jüngster audio-visueller (Bewegt-) Bildarbeiten aus einem weit umfassenderen Werk- und Recherchekomplex zeigt, basiert auf der mehrwöchigen Reise der Künstlerin entlang des San-Andreas-Grabens. Interessiert daran, wie Vorgänge im Erdinnern sich auf Lebensformen auf der Oberfläche auswirken, verfolgte sie von Norden nach Süden, vorbei an Parkfield und zahlreichen anderen Orten, nicht nur den Verlauf des Grabens, sondern auch dessen in Gesteinsschichten eingeschriebenen Erd-Geschichten. Von einer erzählt die neue 3-Kanal-Diaprojektion zu Bauwerken des US-amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright in Los Angeles und im japanischen Tokio der 1920er Jahre (A canary called Cassandra, 2017). Dies- und jenseits des pazifischen Plattenrandes schuf Wright neben Villen auch das Luxus-Bauprojekt des "Imperial Hotel" in Tokio – ein Gebäude, das seine Materialien "aus der Erde" bezog, ganz nach Wrights Vorstellung der harmonischen Einheit von Bauwerk und Natur. Nur Stunden vor dessen Einweihung im Jahr 1923 ereignete sich das Große Kantō-Erdbeben, das es als eines von wenigen Gebäuden zwar weitestgehend unbeschadet überstand. Doch wurde es nur vierzig Jahre später aus Investmentinteressen wieder abgerissen. Nicht nur Erdgestalter, wie die Architekten Wright oder Bruno Taut, finden sich in Christofides' immersiven Bildwelten aus Archivmaterial und dokumentarisch Gefilmten wieder, sondern auch viele Reisebegegnungen, deren Dasein eng mit "Natur"-Katastrophen und deren Symptomen verbunden ist: Ein latenter Zustand des Ausgeliefertseins, der inneren Verunsicherung und des Bedrohlichen gegenüber all jenem, was das scheinbar Gefestigte und Unveränderliche einer weltlichen Ordnung ins Wanken zu bringen vermag. Dass sich Katastrophen allerdings häufig erst daraus ergeben, dass der Mensch selbst zunehmend ebendiese Risiken produziert, indem er Natursysteme verändert und sich in Räume gewagt hat, die er nicht kontrollieren kann, liest sich in Marianna Christofides' Arbeiten als impliziter Erzählstrang mit. Oder, anders ausgedrückt: "Der Begriff Naturkatastrophe ist schon deshalb falsch, weil die Natur keine Katastrophen kennt, allenfalls dramatische Veränderungsprozesse. Solche Veränderungen wie (...) ein Erdbeben werden erst im Bezugshorizont menschlicher Zivilisation zur Katastrophe". (Ulrich Beck, Ein strategisch inszenierter Irrtum, SZ 14.04.2011).