Der Berliner Künstler Rolf Graf arbeitet in verschiedenen Medien. Sein Werk umfasst Fotografie, Video und Installation sowie in den letzten Jahren vorwiegend Malerei. Graf ist 1969 in Heiden geboren und hat an der Ecole supérieure d’art visuel in Genf und der Kunstakademie Düsseldorf bei Jannis Kounellis studiert.

Der Künstler präsentiert bei ZERO FOLD eine Auswahl seiner sogenannten Tafelbilder, die in den vergangenen fünf Jahren entstanden sind. Trägermaterial sind Bruchstücke von Sperrmüll, gefunden am Straßenrand.

Bereits während seiner Studienzeit in Düsseldorf dokumentieren Fotografien des Künstlers die Faszination dieser Versatzstücke auf die Straße gekippter Privatheit, die doch nicht viel erzählen oder gar preisgeben und von denen man sich offenbar schmerzlos verabschiedet:
Material, das nicht pittoresk altert und wohl selten mit Erinnerungsoptimismus auratisch aufgeladen weitervererbt wird. Kostengünstig, wegen seiner schmutzabweisenden und
pflegeleichten Eigenschaften vermutlich nicht nur aus praktischen Gründen als „zeitlose“ Möblierung der Nachkriegsjahre geschätzt. In seiner ästhetischen Neutralität und stellvertretenden Makellosigkeit ideal für Projektionsflächen zur Enthistorisierung des eigenen Gewissens – während heute in Zeiten neu erblühender, auch materieller Nostalgie und Retrotrends, Naturholzmöbel und Antiquitäten in einer mitunter seltsam anmutenden Diskrepanz
zur fortschreitenden Technisierung des Alltags Gemütlichkeitsgaranten fürs Cocooning sind.

Im Auge des inzwischen schon lange in der Kontextverschiebung geschulten Kunstbetrachters
verwandeln sich diese zufällig übereinander getürmten Möbelreste zu, wenn auch absichtslosen, so doch optisch ansprechenden Arrangements und Kompositionen. Dieses Kippmoment und Wechselspiel, das die kunsthistorische Fragestellung von Objet trouvé, Readymade oder auch
Arte Povera nach der Autonomie des Kunstwerks aufwirft, kennzeichnet auch die im wortwörtlichen Verständnis „gegenständliche Malerei“ von Rolf Graf: Seiner Funktionalität
enthoben, wird das triviale Material durch die Bemalung Bestandteil einer gezielten Komposition, die ehemaligen Möbelteile werden als Malgrund in der Tradition des klassischen Tafelbildes auf Holzgrund geadelt.

Die Bilder, eher Objekte als Gemälde, betreiben aber nicht nur durch die Wahl des Trägers ein Vexierspiel, sondern auch mittels der Verwendung von Malmaterialen, die farbig sind, ohne Farbe zu sein und die eher aufgeschmiert als delikat aufgetragen werden: Balsam, Asphalt, Schuhcreme, Säuren, Wachs. Dichte Schraffuren, leuchtende Farbigkeit, pastose Zonen und lasierende Partien: Mit Enkaustik, Acryllack und Bitumen verleiht Graf den ehemals so glatten, unpersönlichen Oberflächen Lebendigkeit und eine intensive haptische Qualität, gleichzeitig eine jeder Arbeit eigene „Sur-Face“ – ein individuelles Gesicht – und eine im wahrsten Sinn vielschichtige und oft räumlich anmutende Tiefendimension.

So erlaubt die Betrachtung der Tafelbilder eine Hingabe an die neugewonnenen ästhetischen Reize und bewirkt gleichzeitig die ernüchterte Distanzierung oder aber auch eine leise Melancholie bei der Erkenntnis ihrer banalen Herkunft, die nicht kaschiert wird. Die weiterhin offensichtlichen Bohrlöcher, Reste von Befestigungsvorrichtungen, Absplitterungen der
Beschichtungen und Preisgabe der Pressspankerne enthüllen dabei nicht nur die funktionale Vergangenheit, sondern die spätestens bei der Entsorgung und schon vor der Bemalung erlittenen Spuren von Verschmutzungen und Verletzungen, die in Zeiten der Nutzung peinlich vermieden werden sollten.