Wird 2018 das Jahr der Neo-Ludditen? Das fragte kürzlich der britische Guardian (Jamie Bartlett, „Will 2018 be the year of the neo-luddite?“, in: The Guardian, 4.3.2018) und bezog sich dabei auf die aktuell um sich greifende Überforderung und Kapitulation vor der Bedrohung durch Technologie. Der Facebook-Datenskandal, wütende Taxifahrer, die in Paris und anderen Städten gegen die Übermacht des Start-Up-Konkurrenten Uber auf die Straße gehen, Künstliche Intelligenz, die langsam aber sicher in Schach gehalten werden muss, um nicht schlauer zu werden als ihre Erfinder. Ist nun ein Wendepunkt erreicht, wo das Bewusstsein über die lauernden Gefahren durch Big Data und Co. die das Leben erleichternden Vorzüge der Digitalisierung überschattet und das lähmende Unbehagen gegenüber der Technik in Gewalt umschlägt?

Die Bildhauerin Jessica Twitchell (*1983 in Mellrichstadt, lebt und arbeitet in Köln) hat sich für ihre Ausstellung NEO-LUDDISMUS mit diesem gesellschaftlichen Phänomen beschäftigt, das in seinem Namen an die Ludditen anknüpft, eine Bewegung, die Anfang des 19. Jahrhunderts gegen die sozialen Folgeerscheinungen der industriellen Revolution protestierte, Maschinen zerstörte und Fabriken stürmte.

Im Zentrum der Ausstellung steht eine Serie von Objekten, die auf Mallorca entstanden ist.
Diese werden wie seltene Steine oder archäologische Readymades präsentiert, doch etwas irritiert – aus den Steinbrocken lugen Platinen, Plastikstücke und Metallteile hervor, es sind Bruchstücke von Handys, die Twitchell zertrümmert und in kleinste Teile zerlegt hat. Die seltenen Erden, die in Afrika von Kinderhänden abgebaut und mit höchst fraglichen Auswirkungen auf Umwelt und Bevölkerung in China zu Akkus von Mobiltelefonen verarbeitet werden, treffen im Steingussverfahren auf mallorquinische Erde. Als formale Reproduktionen von Kalksandsteinen, die die Künstlerin vor Ort gesammelt, abgeformt und dann mit dem Erde-Handy-Gemisch ausgegossen hat.
Ihre Recherchen und Gedanken zum Neo-Luddismus hat Twitchell in eine Reihe von grafischen Zeichnungen transformiert: unlesbare Muster, die an QR-Codes erinnern, allerdings ohne scanbaren Inhalt. Eine raumspezifische Plakatierung, die Fotografie eines Felsens, den sie zu einem ornamentalen Gebilde reduziert hat, ist ein weiteres Element der Ausstellung.

Jessica Twitchell arbeitet mit traditionellen Verfahren der Bildhauerei, um zeitgenössische Inhalte zu adressieren. Dabei nutzt sie verschiedene künstlerische Prozesse, von zweidimensionalen Wandplakatierungen bis zu raumfüllenden gebauten Installationen. Oft beruht ihre konzeptionelle Idee auf Verfahren der Reproduktion und Wiederholung, die sie auf minimalistische Art und Weise einsetzt.
Etwas Altes zerstören, um etwas Neues daraus herzustellen, etwas Bestehendes reproduzieren, um daraus wieder ein Unikat zu schaffen, so wie auch im Fall der oben erwähnten Steine.
Leonie Pfennig