Auf dem Berggipfel stehend, lassen wir unseren Blick über die Landschaft schweifen und können doch kaum erfassen, was wir bereits auf der Wegstrecke vor Augen gehabt haben müssen. Unser Blick war abgelenkt, war auf der Suche, hat sich begeistern lassen. Stufe um Stufe haben wir bezwungen, konzentriert und doch verträumt und plötzlich öffnet sich - ganz oben angekommen - das Panorama in voller Weite.
Vergleichbar lädt Christof Johns Malerei ein, den Blick in ihr wandern zu lassen, einzutauchen in abstrakte Anordnungen. Das Grundgerüst seiner Arbeiten sind alltägliche Beobachtungen, die impulsgebend funktionieren, ob für spätere Kompositionen oder farbliche Zusammenspiele. Der
Künstler arbeitet mit Acryl- und Ölfarbe zumeist auf Holz, das Format wird durch das konkrete Vorhaben bestimmt.

Farbe, Form, Konstruktion, Expressivität, Zerlegung, Verdichtung, Abschliff, Lasierung, Schichtung von Ebene über Ebene, Bleistiftzeichnung, Übermalung: alles hinterlässt Spuren.
Christof John trifft während des Malprozesses Entscheidungen, an denen er den Betrachter scheinbar teilhaben lässt. Die Sichtbarkeit des Prozesshaften ist ein wichtiger Bestandteil seiner Werke, die dennoch von präzisen malerischen Setzungen bestimmt werden. Zarte, lasierende oder deckende, kraftvolle Farbschichten, feine oder ruppige Strukturen, hinter denen etwas aufscheint, sich verbirgt - sie leiten den Blick in die Tiefe, in der sich neue Räume öffnen.

Zwar dominiert die geometrische Formensprache Christof Johns Gemälde, doch manchmal lässt sich ein Nachhall von Gegenständlichkeit entdecken. Sogar realen Abbildern gewährt der Künstler auf ganz eigene Weise ihren Platz neben der gestischen Malerei, wie etwa Pflanzenstrukturen, die
sich schemenhaft im klar konstruierten Bildraum abzeichnen. Erlebnisse oder Momentaufnahmen aus dem Alltag können nicht nur der Anlass für Kompositionen sein, bei einigen Werken halten sie zugleich Einzug in die Titel {Ohne Titel (Faro), 2019, Acryl auf MDF}. Nicht nur klassische Mittel, sondern auch Stoff oder Holz können dabei zum Malmaterial werden.

Korrekturen und Brüche, Verschiebungen und Verwischungen, Schärfe und Unschärfe: Immer wieder werden Partien geschliffen, neu zusammengesetzt, überlagert. Das Wegnehmen und Abtragen ist für Christof John zugleich ein additiver Prozess. Alles ist an jeder Stelle möglich. Das genaue Anschauen ist unabdingbar, nicht nur für den Maler – auch für den Betrachter.

Melanie Grimm

Christof John wurde 1984 in Hannover geboren. Er studierte bis 2012 an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bei Walter Dahn. Er lebt und arbeitet in Köln.