Afghanistan. Andauernd wird über dieses Land berichtet, und doch bleibt es ein Mysterium. Vielleicht, weil es so oft von so vielen verschiedenen Mächten fremdbestimmt worden ist. Und vielleicht auch, weil wir es nur durch die ewigen Variationen von Krieg und Terror kennen, vermittelt durch ausländische Journalisten.

Diese Ausstellung ist ein Versuch, dem komplexen Land ein wenig gerechter zu werden, abseits der üblichen Themen. Im Mittelpunkt stehen die Positionen von Afghaninnen und Afghanen – sowie jene weiterer zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, die längere Zeit im Land gelebt haben. Die Aspekte Krieg und Verwüstung sind bei der Auseinandersetzung mit diesem Land fast unvermeidbar. Aber der Zugriff dieser Künstler darauf ist persönlicher, subtiler, oft weiter gefasst. Es geht um distanzierte Verarbeitung statt unmittelbarer Sensationsbilder.

Ruinen sind ein Leitmotiv der Ausstellung “Architekturen der Zerstörung”. Einerseits sind da die Ruinen von zerbombten Gebäuden oder die rostigen Skelette zurückgelassener Flugzeuge. Lida Abdul, Simon Norfolk sowie Donovan Wylie arbeiten mit den Kriegsspuren, die verschiedenste Parteien in den letzten Jahrzehnten in Afghanistans Landschaft und Architektur zurückgelassen haben. Sie sind wie Forensiker des Landes, die am Tatort seine vielen Narben interpretieren. Ihre Videoarbeiten und Fotografien sind aber nie nur trostlos. Ein zerschossenes Teehaus erzählt von einer alten, großen Kultur, die da mal war – und vielleicht auch wieder sein kann. Weite, bergige Landschaften vermitteln die Erhabenheit dieser kargen Landschaft. Kinder, die ein russisches Flugzeugwrack zum Fliegen bringen möchten, wirken befreiend komisch und hoffnungsvoll zugleich.
Rein sinnbildlich um Ruinen geht es in den Geschichten der Künstlerinnen und Künstlern Orna Kazimi, Mohammad Sabir und Mohsen Taasha. Sie gehören allesamt der ethnischen Minderheit der Hazara an, die unter den Taliban einmal mehr besonders gefährdet sind. Diese KünstlerInnen erinnern an die vielen Toten, Verwundeten und Vertriebenen ihrer Ethnie; poetisch verfremdet und doch für alle verständlich. Gazelle Samizay schliesslich hat ein Modell ihres einstigen Elternhauses gebaut, so wie es vor der Flucht der Familie während der sowjetischen Okkupation ausgesehen hat. Seither haben fast so viele verschiedene Menschen dieses Haus bewohnt und verändert, wie politische Kräfte das Land.
Leichter wirken die Filme im Rahmenprogramm. “In Where the Light Shine” (Wo das Licht scheint) wird hier in der Provinz Bamiyan zum ersten Mal dem Skifahren gefrönt, dort in “The Orphanage” (Kabul Kinderheim) flüchtet sich ein junger Teenager in Bollywood-Tagträume; doch unter der Oberfläche tun sich bald Abgründe auf, die unser Verständnis von Normalität unterlaufen. Mit diesen Filmen des Fotografen Daniel Etter und der afghanischen Filmemacherin Shahrbanoo Sadat möchten die Ausstellungsmacher das alltägliche Afghanistan zeigen, das Leben, die Hobbies und Sehnsüchte seiner Menschen. Denn gerade das Bekannte ist uns dort unbekannt. Diese Filme sind vor dem erneuten Sieg der Taliban entstanden. Manche der darin dargestellten Hoffnungen und Träume sind bereits wieder zerplatzt. Es bleiben davon nur noch Ruinen. Vorerst.

Der veranstaltende, gemeinnützige Verein Contemporary Middle East fördert den Austausch zwischen Kulturen. Ziel ist es, aufstrebenden Künstlern der Mena-Region in Deutschland eine Plattform für die Darstellung ihrer künstlerischen Positionen zu bieten.

Gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen