In der Motivwelt von Nschotschi Haslinger ist es nicht gemütlich, es wuselt, kreucht, züngelt, alles wirkt in immerwährender Aktion. Selbst in den Szenerien, in denen die Protagonisten scheinbar rasten, bleibt eine anhaltende körperliche Spannung spürbar, wie in einem Kokon, unter dessen geschlossener Oberfläche sich schon etwas räkelt und ihn dehnt. Kreaturen und Dinge befinden sich in permanenter Handlungsbereitschaft und Metamorphose, wachsen ineinander und auseinander heraus. Diese stete Wandlung und Bewegung durchzieht auch die Medien der Künstlerin: In Performances, Videos, Gouachen, Graphit- und Tuschezeichnungen sowie glasierten Keramiken kehren einzelne Motive wieder, werden von einem Medium ins andere transferiert.

Haslingers Figurenrepertoire auf den bei ZERO FOLD gezeigten Tuschezeichnungen ist gleichzeitig geschäftig wie seltsam somnambul, weder gut noch böse. Die Interaktionen unter den die Zeichnungen bevölkernden, elfenhaften Wesen – halb Tier, halb Mensch – changieren zwischen unterschwelliger Grausamkeit und fürsorglicher Zärtlichkeit. Sie vollziehen
Handlungen, deren Charakter sexuell oder rituell erscheint, die aber nicht einmal als symbolische Akte plausibel zu entschlüsseln sind. In ihrer physischen Nähe zueinander herrscht Bedrängnis wie Komplizenschaft, nichts ist explizit. Ihr Tun und möglicherweise Verrichten eines „geheimen Dienstes“ – ob im Sinne einer verborgenen Hilfeleistung wie die der Heinzelmännchen oder eher einer schwarzen Messe – entzieht sich der Zuordnung zu einem eindeutigen Sinn und Zweck. Es erscheint wie eine Spiegelung des rastlosen Treibens in unserer Gesellschaft, der von vielerlei Antrieben und Trieben wie Eitelkeit, Neid und Gier durchzogenen Betriebsamkeit unseres alltäglichen Daseins.

Die Staffelung von Figuren aufeinander und im Tiefenraum macht eine konkrete Verortung unmöglich: Ob Wald, Atelier oder Hexenküche, erinnern die Bildräume in Nschotschi Haslingers Tuschezeichnungen atmosphärisch an einen Zoom in ein Gemälde Pieter Bruegels oder die nicht näher definierten Orte in Francisco de Goyas Radierungszyklus Los Caprichos.

Eine sehr intensive Körperlichkeit, der man sich schwer entziehen kann, bestimmt die Darstellungen. Dennoch bleibt der Betrachter außen vor, wie ein heimlicher Zeuge der Walpurgisnacht, einerseits ausgeschlossen vom faszinierenden Geschehen, andererseits in ungewollter Introspektion ins eigene seelische Dickicht blickend.

Die Unke, in der Literatur wechselnd sowohl Tod als auch Glück bringend, hat wiederholte
Auftritte in Haslingers Werken, hier vielleicht als melancholischer Rufer in der Rolle des
Zweiflers und Pessimisten auch ein Verweis auf den geheimen Dienst der künstlerischen Existenz
und deren heilendes wie destruktives Wirken? Wie gesagt, hier ist nichts eindeutig.

Auch angesichts der „Brennenden Taschen“ aus glasierter Keramik, die Haslinger seit 2018 schafft, beschleichen einen zwiespältige Gefühle von Verlockung und Gefahr. Wie opulente
Blüten fleischfressender Pflanzen verführen sie mit Glanz und Farbe. Doch diese Taschen, Behältnisse des persönlichsten Habes, intime Anhängsel und modische Erweiterungen des Körpers, entwickeln ein bedrohliches Eigenleben. Ihre Öffnungen erweisen sich als zahnbewehrte aggressive Mäuler, aus denen verzehrende Flammen emporzüngeln – die ambivalente Erotik des Konsums, aber auch die drohende Selbstausbeutung im unermüdlichen „geheimen Dienst“ nicht nur des Künstlers. Die im System des Kapitalismus stets genährte Hoffnung auf Mehrwert und Gewinn verleitet dazu, sich selbst zu verbrennen.

Nschotschi Haslinger ist 1982 in Eitorf geboren, hat an der HBK Braunschweig bei Hartmut Neumann, Johannes Brus und Walter Dahn studiert, sie lebt und arbeitet in Berlin.

Die Künstlerin wird vertreten von der Galerie EXILE in Wien, ihre jüngste größere Einzelausstellung mit dem Titel Die untere Welt zeigte die Overbeck-Gesellschaft in der St. Petri-Kirche in Lübeck.